Irgendwann wurde die Zeit dann reif. Ich hatte mich von den zermürbenden Erfahrungen des letzten Scheiterns erholt. Aber das ist die geschönte Fassung. Meistens war die Zeit noch gar nicht reif, sondern ich erklärte sie dazu. Das Geld wurde so knapp, dass das mentale Balancieren auf der Ballustrade meines Elfenbeinturms zu einem Hochrisikosport wurde.

Es ist schwierig und gefährlich, mit weichen Knien sicher zu balancieren. Und die Knie werden weich, wenn das Geld ausgeht und die Angst vor dem großen Untergang den ganzen Organismus in Beschlag nimmt. Stellt sich die Frage warum ich da draußen am äußersten Rand meines Turm zugange war: Es war die einzige Möglichkeit, in der sicheren Höhe meines Turms zu bleiben, und doch in der Draufsicht auf komplett abstrakte Art, Kontakt zu den Menschen am Boden zu halten.

Vor der Wahl zwischen sicherem Untergang durch Fallen und Trauma durch erneutes Scheitern fiel meine Wahl dann immer auf die zweite Traumaoption. Ich quälte mich die Wendeltreppe meiner vergeistigten Glückseligkeitszuflucht hinunter. Aber unten angekommen, berührte ich den Boden der Tatsachen kaum. Am Fuße meines Elfenbeinturms fand ich einen immer gleichen Sumpf aus Ohnmacht und Zweifel vor. Und da das Geld knapp war, hatte ich keine Zeit, diesen Sumpf trocken zu legen..

Aber das ist natürlich eine Lüge. Der Geldmangel war nur ein Randphänomen. Das ist Geld ja immer, egal, was wir uns erzählen. Die Wahrheit: Ich nahm mir nicht die Zeit und gab mir nicht den Raum zum Trockenlegen.

Das dachte ich jedenfalls, bevor ich über diesen Beitrag heute nachgedacht habe. Am Ende war es doch ganz anders. Davon am Ende dieses Beitrags mehr. Und natürlich spreche ich da nicht vom Ende. Denn es ist noch nicht zu Ende. Die Reise geht weiter. Und auch, wenn das jetzt ganz woanders hin führt, bin ich gespannt, wo das ganze noch hinführt. Vor allem bin ich gespannt, wo das ganze hindurch führt. Weil die Reise ja das Spannende ist und die Ziele hilfreiche Orientierungsmarken.

Zurück zur Rapunzelversion eines glatzköpfigen Gefangenen seiner selbst. Am Fuße meines Elfenbeinturms angekommen aktivierte ich meine natürliche Begabung zum Schweben. Ich nutzte große Visionen, um mich in eine für mich erträgliche Höhe über dem Sumpf zu schrauben. Und dann aktivierte ich den Raketenboost, um den Sumpf möglichst schnell zu überqueren.

Unter uns: Das waren verzweifelte Versuche, mir und meinem Sumpf zu entkommen. Solche Versuche, meine ich auch bei anderen beobachtet zu haben. Wir träumen uns in eine wundervolle Zukunft. Und wir glauben, dass es wirklich wundervoll wird, wenn wir dort hinkommen. Wenn wir dann tatsächlich dort hinkommen, dann ist die Enttäuschung groß…

In Wirklichkeit geht es uns meistens zu einem vernachlässigbaren Bruchteil um die Vision und deren Verwirklichung. Wir wollen einfach so schnell wie möglich den Sumpf hinter uns lassen, der in unserem Inneren existiert, und das Chaos, in dem wir tagtäglich vor uns hin vegetieren. Was natürlich nicht geht.

Aber dass wir es versuchen, ist der Grund, weshalb wir die meiste Zeit an dem vorbei leben, was uns im Leben wirklich interessiert. Wir ignorieren die einzige Möglichkeit, unser Paradies zu erschaffen: ausgehend von unserem Sumpf, unserem Chaos und unserem Vegetieren. Und wir ignorieren den einzigen Ort, an dem wir Glückseligkeit finden können: den gegenwärtigen Augenblick. Ich komme darauf zurück…

Mit Bezug zu den Themen Marketing und Vertrieb gab es mehrere Probleme bei meinem Versuch, meinen Elfenbeinturm zu verlassen und den Sumpf publikumswirksam zu überwinden:

Ich bewegte mich nicht zwischen und mit den Menschen. Ich gefiel mir selbst in meinem akrobatischen Schwebeflug. Ich schützte mich mit abstrakten Ergüssen vor Ohnmacht und Zweifel, die in der echten und direkten Begegnung auf mich zu lauern schienen. Und ich teilte nicht, was ich zu teilen hatte. Ich warf pseudo-intellektuelle Bomben in rhetorisch brillant schimmernder Tarnung ab.

Ich hatte keinen Kontakt zum Boden des Tatsachenschaffens. Soweit vom Boden und den Menschen entfernt erreichten mich keinerlei differenzierte Rückmeldungen. Und angesichts der Tatsache, dass ich meine Klugscheißersalven auf alles abfeuerte, was sich bewegte, ist das auch vollkommen nachvollziehbar. Die Feinfühligen fühlten sich durch meine Kommunikationsinitiativen bedroht und ergriffen die Flucht. Die weniger Feinfühligen kümmerten sich kopfschüttelnd um ihren eigenen Kram. Die meisten Leute hatten weiterhin keine Ahnung, dass es mich und meine Angebote überhaupt gab.

Und klar, ich hatte den Raketenboost aktiviert. Ich fühlte mich immer total geil und krass angesichts der Tatsache, dass ich das konnte. Aber ich war ein ängstlicher und zweifelnder Pilot. Ich hatte Angst, mich zu weit von meinem Elfenbeinturm zu entfernen. Und ich hatte Zweifel, ob ich es über den Sumpf hinüber schaffen würde. Und da sich Angst und Zweifel in mir zu einer gebieterischen Stimme verbündeten, flog ich zwar wahnsinnig schnell, aber blind und im Kreis herum.

Die Konsequenzen dieses Kreisflugs waren immer dieselben: massive Übelkeit, starke Schwindelgefühle und in der Folge zunehmende Orientierungslosigkeit. Und in dem Maße, wie sich der Treibstoff des Raketenboosts erschöpfte, kamen Boden und damit der Sumpf unausweichlich näher. Die Eskapaden endeten immer damit, dass ich die Rakete meiner Vertriebs- und Marketinginitiativen ungefähr in der dritten Woche mit einer fulminanten Bruchlandung im Sumpf meiner Ohnmacht zerlegte.

Aber nicht nur das. Ich hatte jedesmal mächtig Erde verbrannt. Diese verbrannte Erde ließ ich ebenso hinter mir liegen, wie die Bruchstücke meiner Kampagnen. Der Sumpf unter meinem Elfenbeinturm mutierte langsam zu einem Schrottplatz gescheiterter unternehmerischer und später künstlerischer Initiativen. Und da sammelte sich einiges: Texte, Kontakte, Konzepte, Webseiten, Geschäftsmodelle und noch einiges mehr.

Die ganze Eskapade aus meinem selbstgewählten Exil dauerte jeweils zwei bis drei Wochen. Der frühere Zeitpunkt des Zerschellens meiner Kampagnenrakete wäre also jetzt. Aber jetzt ist es anders… Zurück zur Vergangenheit.

Jedesmal schleppte ich mich, den glatzköpfigen Rapunzelich, zurück zu meinem Elfenbeinturm. Dort kämpfte ich mich ganz langsam die Treppen hinauf. Und oben angekommen verschanzte ich mich einmal mehr in Gedanken und Glückseligkeit. Und dort blieb ich dann, bis die Zeit wieder reif war oder das Geld ausging.

Und all das mag dir vollkommen fremd und absurd vorkommen. Und du magst glauben, wovon ich berichte, hätte überhaupt nichts mir dir zu tun. Und vielleicht ist das wahr.

Aber vielleicht ist es vor allem deswegen wahr, weil du dich nicht traust, dein Schicksal wirklich in die Hand zu nehmen. Vielleicht scheust du noch davor zurück, deine Herzenswünsche wirklich ernst zu nehmen Vielleicht ahnst du, dass du einen eigenen Sumpf in deinem Inneren hast. Und vielleicht schützt du dich mit eigenen Strategien, vor den Einladungen des Lebens und den Rückmeldungen von Menschen und Dingen.

Und vielleicht findest du die Berichte über meine Odyssee verwirrend, nervtötend und abschreckend. Das könnte ich total gut verstehen. Wer will sich schon auf den Weg produktiver Glückseligkeit begeben, wenn ihn solche Eskapaden und zuweilen bedrohliche Erfahrungen erwarten.

Drück dich ruhig noch ein bisschen darum herum. Aber sei dir gewiss, dass das Leben an dir dran bleibt. Und die anfänglichen Einladungen verwandeln sich nach und nach in hässliche Forderungen. Du hast genau zwei Alternativen: dich selbst verraten oder dein volles Potential entfalten. Ich empfehle die geschmeidige Variante der zweiten Option.

Zur Ermutigung: Was ich immer wieder als Scheitern empfand, das waren Rückmeldungen, die mir, zugegeben, ziemlich zähes Lernen ermöglichten. Was ich als Schrott empfand, den ich als vermeintlich Gescheiterter auf dem Weg zu meinem Turm zurückließ, das sind die Ressourcen, die ich nach und nach erschloss. Und das, was ich immer als Sumpf empfunden hatte, das ist der Nährboden, auf welchem sich die Ressourcen nach und nach zu etwas Wundervollem verbunden haben und verbinden.

Da ist kein Schrott in meiner Welt. Da gibt es überhaupt nicht Festes und Endgültiges. Entweder das Zeug kompostiert oder es wächst und gedeiht. Manches spendet Schatten. Anderes bringt nahrhafte und schmackhafte Früchte hervor. Alles pulsiert in seinem eigenen Rhythmus.

Ich stehe am Fuß meiner einstigen Zuflucht in einem Paradies des Lernens, der Begegnung und der Glückseligkeit. Die Überbleibsel der Raketen und Kapseln werden jetzt zu Orten der Begegnung. Hier können sich Menschen austauschen und wechselseitig in ihrer Entwicklung unterstützen. Ich spaziere und tanze hier herum. Aber ich plaudere weniger. Und ich ergehe mich weniger in philosophischen Ergüssen.

Manchmal versuche ich immer noch, ein bisschen höher zu hüpfen und ein bisschen zu schweben. Ich habe immer noch Angst vor Rückmeldungen. Aber vor allem habe ich Angst vor zu großem Abstand zur Welt. Ich fürchte mich vor Isolation, weil sie mir das Gefühl gibt, ich würde gar nicht existieren.

Ich tue mich immer noch schwer, produktiv zwischen intensivem Engagement und Phasen der Erholung zu schwingen. Ich bleibe ein Lernender, der viel zu lernen hat und sich immer wieder schwer mit seinem Lernprozess tut. Ich bin immer noch zu schlau, gemessen an dem, was ich zu leben vermag.

Und es wichtig, mir selbst etwas zuzugestehen. Ich brauche keinen Elfenbeinturm mehr. Aber eine kleine, gut zugängliche Baumhütte, in die ich mich ab und zu zurückziehen kann, die tut mir gut. Hier kann ich die Dinge mit etwas Abstand betrachten. Hier kann ich meine Projekte reflektieren und meine Prozesse entwickeln. Hier kann ich mich mit großer Hingabe auf die kreativen Prozesse fokussieren, die mir ermöglichen, meine Wucht kultiviert ins Spiel zu bringen. Und hier kann ich mich erholen, wenn ich meinem ungestümen Temperament folgend, mal wieder über das Ziel hinaus geschossen bin.

Die Frage, die bleibt: Wieso hat das Ganze so lange gedauert? Warum habe ich mich so schwer damit getan, meinen Elfenbeinturm zu verlassen? Wieso habe ich solange gebraucht, um den Garten zum Leben zu erwecken?

Und die Antwort? Ich habe meine eigenen, wichtigen Experimente immer wieder wie die Eskapaden eines Halb-Verrückten beurteilt. Ich habe mich selbst und meinen Entwicklungsprozess entwertet. Ich habe meine Art zu Lernen immer wieder infrage gestellt und mich mit Zweifeln selbst zermürbt. Aber all das ist auch Teil des großen Lernprozesses. Zweifel, Selbstkritik und kontinuierliches Fragen sind sehr wichtige Haltungen und Aktivitäten, auf dem Weg produktiver Glückseligkeit.

Was war dann das Problem? Ich habe mir nicht die Zeit und den Raum zugestanden, um diesen Lernprozess effektiv und nachhaltig zu vollziehen. Ich war zu sehr damit beschäftigt, vor mir selbst davon zu laufen. Und das tat ich unter dem heiligen Vorwand, die Welt retten zu wollen: als Sozialarbeiter, als Mönch, aber vor allem als selbst ernannter Frauenversteher.

Ich war als vermeintlicher Retter früh in die Falle des Dramadreiecks gegangen. Und dieses Dramadreieck ist das Bermudadreieck der Beziehungsdynamiken. Mal Retter, mal Opfer, mal Verfolger und Täter. Dort verlieren alle und wir verlieren alles. Und wir haben keine Ahnung, was mit uns und den anderen passiert.

Davon bald mehr…

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